An: Die, die Angst haben etwas zu ändern. Und an mich: lasst es uns versuchen
„Alter,
ohne scheiß! Was zur Hölle willst du hier?“
Dann
schlug sein Kopf auf der Tischplatte auf. Dumpf und gewaltvoll. Die sich darauf
befindlichen Gläser wackelten mit samt ihrem Inhalt. Mit dem Aufprall war es
ruhig geworden. Niemand der Anwesend sagte ein Wort. Einige Blicke wandten
sich ab, andere blieben gebannt an der Situation kleben, vielleicht aus Angst
etwas verpassen zu können.
„Könntet
ihr das draußen klären, Jungs?“, lediglich der Barkeeper traute sich etwas zu
sagen. Bestimmend aber trotzdem mit hörbarer Angst.
„Halt’s
Maul und schenk nochmal nach. Mein Glas ist leer.“ Der Tätowierte war sich
seiner Macht bewusst. Er hatte den Schwächling auf den Tisch geschlagen. „Und
du, kleiner Pisser, überlegst dir nochmal ganz genau wen du hier anquatschst.“,
wandte er sich an das zusammengekauerte Häufchen Elend vor seinen Füßen.
Der
Barkeeper schenkte nach. Doppelter Whiskey, pur.
Mit einem
Schluck ließ der Tätowierte ihn verschwinden. Dann ergriff er erneut das Wort:
„Aahh.. Hat hier sonst noch irgendjemand ein Problem?“ Niemand antwortete. Er
blickte in die Runde. „Angst habt ihr. Gut.“ Gefolgt von einem hämischen
Grinsen, das vor Selbstvertrauen nur so strotzte.
„Wir..
haben keins. Aber..“ Die Stimme verstummte abrupt und der Tätowierte schaute
sich um, auf der Suche nach der Herkunft der Stimme. Dann bemerkte er, dass sie
dem kleinen Haufen zu seinen Füßen
gehörte. Genüsslich spuckte er auf den Boden. „Sieh an. Ein kleiner Scheißhaufen
wagt es zu sprechen.“Er
lachte. „Komm komm, sprich weiter“, lockte er ihn, wie ein Raubtier, das auf
seine Beute lauert. „ Wir hängen alle gebannt an deinen Lippen. Was wolltest du uns sagen?“ Unsanft zog der
Tätowierte ihn am Kinn hoch. „SAG ES!“, brüllte er so laut dass es von den
Wänden wiederhallte. Dann ließ er seinen Kopf wieder fallen.
Aus einem
Keuchen wurde ein Husten, dann konnte man Worte vernehmen. „Wir haben kein
Problem. Aber.. Aber du!“ Endlich hatte er es geschafft. So viel Überwindung
hatte es gekostet diese Worte auszusprechen. Und noch viel mehr Mut es in
seiner Gegenwart zu tun.
Der
Tätowierte horchte auf. „Was habe ich? Ein Problem? Ha, dass ich nicht lache.“
„Und was für eines. Ein gewaltiges“. Das
kleine Häufchen zu seinen Füßen regte sich, versuchte aufzustehen. Einige der
Umstehenden hatten ihre Blicke an das fragwürdige Szenario gehängt. Was war das
für ein Wortgefecht, das sich das ungleiche Paar da vorne am Tresen lieferte?
„Komm,
erklär mir das bitte. Wie soll ich denn bitte sehr ein Problem haben? Hast dir
wohl den Kopf zu stark gestoßen? Tja, selber Schuld. Vielleicht tut es dir jetzt
endlich Leid, dass du mich so respektlos behandelt hast. Barkeeper, noch einer!“
Mit einer Hand zog sich der junge Mann am
Bartresen hoch. „Mir tut nur eins Leid. Und das bist du!“ Er hustete. Alles
drehte sich. Das unsanfte Aufeinandertreffen seines Kopfes mit dem Tresen hatte
seine Wirkung nicht verfehlt. Doch er fing sich und schaffte es aufrecht zu
stehen.
Nun
hafteten sich alle anwesenden Augenpaare an ihn, einige voller Bewunderung,
andere fragend. Wusste er nicht was ihn erwartet?
Doch er
wusste es.
„Ich tue
dir leid? Wie kommst du denn darauf? Siehst du nicht wie überlegen ich dir bin?
Ich bin der Held hier. Du hast Angst und, wie sollte es anders sein, kannst du
nichts gegen mich ausrichten. Nichts kannst du!“, trotzte ihm der Tätowierte
mit einem breiten Grinsen während er mit erwartungsvoller Haltung um sich
schaute. Er freute sich auf das, was er als nächstes tun wird.
„Du
verstehst es nicht. Genau das ist es. Du bist mir überlegen, aber das macht
dich schwach. Du hast keine Angst vor mir, ich vor dir schon. Aber trotzdem
stehe ich vor dir, oder?“ Mit jedem Wort richtete er sich immer weiter auf, bis
er dem Tätowierten in die Augen schaute. „Ich weiß was du tun willst und kann
dich nicht daran hindern. Aber ich weiß dass du auch Angst hast. Du bist
eingeschüchtert, weil du nicht damit gerechnet hast dass ich vor dir stehen
kann.“ Er ließ die Worte einfach fließen: „Du bist ein feiges Arschloch und
hast keine Angst davor mich vor all diesen Leuten hier fertig zu machen. Du
hast keinen Anstand, keinen Stolz. Und kein Ziel!.“
Es war
ruhig geworden. Den Anwesenden klappte vereinzelt die Kinnlade runter.
Der
Tätowierte schluckte. Er wusste keinen Konter. Das hatte gesessen.
„Deshalb
empfehle ich dir, dich zu verpissen, nachzudenken und etwas zu ändern.“ Der
junge Mann führt seine Hand zu einem Glas auf dem Tresen. Er griff nach dem
Whiskey des Tätowierten. Mit sicheren Bewegungen ließ er die glänzende
Flüssigkeit im Glas rotieren. Dann blickte er in das Glas. „Zu viel Alkohol ist
nicht gut für dich.“ Mit diesen Worten schüttete er dem Tätowierten den Inhalt
ins Gesicht. Dann nahm er ein Taschentuch, wischte seine blutende Nase sauber
und verließ die Bar. In der Tür drehte er sich noch einmal um:
„Echte
Helden haben Angst, aber sie überwinden sie…“