Mittwoch, 1. Januar 2014

Ein Glas voll Angst



 An: Die, die Angst haben etwas zu ändern. Und an mich: lasst es uns versuchen

„Alter, ohne scheiß! Was zur Hölle willst du hier?“
Dann schlug sein Kopf auf der Tischplatte auf. Dumpf und gewaltvoll. Die sich darauf befindlichen Gläser wackelten mit samt ihrem Inhalt. Mit dem Aufprall war es ruhig geworden. Niemand der Anwesend sagte ein Wort. Einige Blicke wandten sich ab, andere blieben gebannt an der Situation kleben, vielleicht aus Angst etwas verpassen zu können.
„Könntet ihr das draußen klären, Jungs?“, lediglich der Barkeeper traute sich etwas zu sagen. Bestimmend aber trotzdem mit hörbarer Angst.
„Halt’s Maul und schenk nochmal nach. Mein Glas ist leer.“ Der Tätowierte war sich seiner Macht bewusst. Er hatte den Schwächling auf den Tisch geschlagen. „Und du, kleiner Pisser, überlegst dir nochmal ganz genau wen du hier anquatschst.“, wandte er sich an das zusammengekauerte Häufchen Elend vor seinen Füßen.
Der Barkeeper schenkte nach. Doppelter Whiskey, pur.
Mit einem Schluck ließ der Tätowierte ihn verschwinden. Dann ergriff er erneut das Wort: „Aahh.. Hat hier sonst noch irgendjemand ein Problem?“ Niemand antwortete. Er blickte in die Runde. „Angst habt ihr. Gut.“ Gefolgt von einem hämischen Grinsen, das vor Selbstvertrauen nur so strotzte.
„Wir.. haben keins. Aber..“ Die Stimme verstummte abrupt und der Tätowierte schaute sich um, auf der Suche nach der Herkunft der Stimme. Dann bemerkte er, dass sie dem kleinen Haufen zu seinen Füßen gehörte. Genüsslich spuckte er auf den Boden. „Sieh an. Ein kleiner Scheißhaufen wagt es zu sprechen.“Er lachte. „Komm komm, sprich weiter“, lockte er ihn, wie ein Raubtier, das auf seine Beute lauert. „ Wir hängen alle gebannt an deinen Lippen. Was  wolltest du uns sagen?“ Unsanft zog der Tätowierte ihn am Kinn hoch. „SAG ES!“, brüllte er so laut dass es von den Wänden wiederhallte. Dann ließ er seinen Kopf wieder fallen.
Aus einem Keuchen wurde ein Husten, dann konnte man Worte vernehmen. „Wir haben kein Problem. Aber.. Aber du!“ Endlich hatte er es geschafft. So viel Überwindung hatte es gekostet diese Worte auszusprechen. Und noch viel mehr Mut es in seiner Gegenwart zu tun.
Der Tätowierte horchte auf. „Was habe ich? Ein Problem? Ha, dass ich nicht lache.“
 „Und was für eines. Ein gewaltiges“. Das kleine Häufchen zu seinen Füßen regte sich, versuchte aufzustehen. Einige der Umstehenden hatten ihre Blicke an das fragwürdige Szenario gehängt. Was war das für ein Wortgefecht, das sich das ungleiche Paar da vorne am Tresen lieferte?
„Komm, erklär mir das bitte. Wie soll ich denn bitte sehr ein Problem haben? Hast dir wohl den Kopf zu stark gestoßen? Tja, selber Schuld. Vielleicht tut es dir jetzt endlich Leid, dass du mich so respektlos behandelt hast. Barkeeper, noch einer!“
 Mit einer Hand zog sich der junge Mann am Bartresen hoch. „Mir tut nur eins Leid. Und das bist du!“ Er hustete. Alles drehte sich. Das unsanfte Aufeinandertreffen seines Kopfes mit dem Tresen hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Doch er fing sich und schaffte es aufrecht zu stehen.
Nun hafteten sich alle anwesenden Augenpaare an ihn, einige voller Bewunderung, andere fragend. Wusste er nicht was ihn erwartet?
Doch er wusste es.
„Ich tue dir leid? Wie kommst du denn darauf? Siehst du nicht wie überlegen ich dir bin? Ich bin der Held hier. Du hast Angst und, wie sollte es anders sein, kannst du nichts gegen mich ausrichten. Nichts kannst du!“, trotzte ihm der Tätowierte mit einem breiten Grinsen während er mit erwartungsvoller Haltung um sich schaute. Er freute sich auf das, was er als nächstes tun wird.
„Du verstehst es nicht. Genau das ist es. Du bist mir überlegen, aber das macht dich schwach. Du hast keine Angst vor mir, ich vor dir schon. Aber trotzdem stehe ich vor dir, oder?“ Mit jedem Wort richtete er sich immer weiter auf, bis er dem Tätowierten in die Augen schaute. „Ich weiß was du tun willst und kann dich nicht daran hindern. Aber ich weiß dass du auch Angst hast. Du bist eingeschüchtert, weil du nicht damit gerechnet hast dass ich vor dir stehen kann.“ Er ließ die Worte einfach fließen: „Du bist ein feiges Arschloch und hast keine Angst davor mich vor all diesen Leuten hier fertig zu machen. Du hast keinen Anstand, keinen Stolz. Und kein Ziel!.“
Es war ruhig geworden. Den Anwesenden klappte vereinzelt die Kinnlade runter.
Der Tätowierte schluckte. Er wusste keinen Konter. Das hatte gesessen.
„Deshalb empfehle ich dir, dich zu verpissen, nachzudenken und etwas zu ändern.“ Der junge Mann führt seine Hand zu einem Glas auf dem Tresen. Er griff nach dem Whiskey des Tätowierten. Mit sicheren Bewegungen ließ er die glänzende Flüssigkeit im Glas rotieren. Dann blickte er in das Glas. „Zu viel Alkohol ist nicht gut für dich.“ Mit diesen Worten schüttete er dem Tätowierten den Inhalt ins Gesicht. Dann nahm er ein Taschentuch, wischte seine blutende Nase sauber und verließ die Bar. In der Tür drehte er sich noch einmal um:
„Echte Helden haben Angst, aber sie überwinden sie…“