Sonntag, 22. September 2013

Mit jedem Wort

 An: Die schweigsamen da draußen. und an die Schwätzer

Ein schwarzer Fleck auf meiner Haut. Wie ein hartnäckiger Schatten breitet er sich aus. Unheilvoll und drohend. Nach und nach. Und er lässt sich nicht wegwischen. Kein waschen, schrubben oder reiben hilft. Er bleibt immer noch da. Und das obwohl ich doch nur ein Wort gesagt habe. Ohne darüber nachzudenken. Einfach so kam es über meine Lippen. Ich war mir dessen Auswirkungen nicht bewusst. Bis jetzt. Jetzt, als dieses Wort sich vor meinen Augen ausbreitet.
Auf meiner Haut.

Wie oft reden wir einfach drauflos? Wie oft denken wir nicht einmal darüber nach, was als nächstes über unsere Lippen kommt. Zu oft. Jeder kennt dieses Gefühl etwas gesagt zu haben, und es danach sofort zu bereuen. Aber was würde passieren, wenn plötzlich jedes gesagte Wort auf unserer Haut erscheint? Wie ein Tattoo, für immer. Bloß Schmerzfrei. Wie würden wir handeln wenn man uns jedes gesagte Wort für immer vor die Nase setzen würde?
Jeder Mensch würde seine Geschichten, seine Erzählungen und auch sein Leben mit sich herum tragen. Öffentlich und für jeden einsehbar. Man würde die Wortkargen und die Schweigsamen von den Schwätzern problemlos unterscheiden können. Und bei bestimmten Menschen würde man sich fragen: Was hat diesen Menschen dazu bewegt solche Worte auszusprechen? Und wie schafft er es Tag für Tag mit diesen Worten zu leben?
Worte sind mächtig. Sie können jemanden zum lachen bringen, oder zum weinen. Sie können aufheitern, oder traurig machen. Gefühle zum Ausdruck bringen wie nichts anderes. Und letztenendes können sie Leben retten, oder zerstören. Und das geht manchmal schneller als man denkt. Oder man denkt eben garnicht. So wie die meisten Menschen unter uns. Ohne zu überlegen wird hastig etwas ausgesprochen, nur um etwas gesagt zu haben. Und wieder ein neues Wort, ein neuer Satz auf der Haut. Und irgendwann ist sie voll.

Was passiert dann? Was wenn wir so viel reden, dass unsere Haut bald keinen Platz mehr bietet? Nun dann dominieren die starken Wörter. Und dies sind nun mal die traurigsten. Denn an diese erinnern wir uns am längsten. Sie geistern ewig in unseren Gedanken umher und verfolgen uns so auch ewig, auf unserer Haut. Und dann ist irgendwann kein Platz mehr für die Worte und die Geschichten, die das Leben zu dem machen, was es ist. Etwas besonderem. Doch dazu braucht es besondere Worte. Es braucht Zeit zum nachdenken und es braucht Geduld. Geduld um auf den richtigen Moment zu warten. Denn erst im richtigen Moment entfalten Worte ihre wahre Stärke.
Und ich frage mich selbst, will ich für immer meine schlechten Eigenschaften mit mir herumtragen, oder will ich Platz lassen für die schönen Dinge. Für mich steht fest, manchmal ist es besser die Klappe zu halten und anderen das Wort zu überlassen, bis ich mir sicher bin was ich sagen möchte. Es soll aber nicht heißen, dass man Angst vor seinen Worten haben soll. Im Gegenteil! Seid frei indem was ihr sagen wollt, doch seid euch bewusst was ihr sagt. Und manchmal sind die richtigen Worte mit Verantwortung verbunden. Da bleiben die wichtigen Worte meist unausgesprochen. Doch manchmal muss man das Gesicht hinhalten. Denn, wenn dies keiner mehr tut, an wem soll sich die nächste Generation ein Beispiel nehmen? Deshalb habt keine Angst vor dem was ihr sagt, doch seid euch bewusst das man auch mal kräftig in den Arsch getreten werden kann. Dann muss man wieder aufstehen und weiter machen. Denn das ist Stärke. Deshalb bitte ich jeden von euch. Steht zu euren Worten, schweigt die nicht Tod.  Und trotzdem bitte ich jeden Menschen, der sich das noch nicht zu Herzen genommen hat, sich selbst zu fragen:

Wenn jedes Wort das ich ausspreche, für immer auf meiner Haut erscheint. Wäre ich vorsichtiger mit dem was ich sage?